Nordic Walking
"Ach was, das ist doch nichts anderes
als Spazierengehen mit Stecken" raunzt Hildegard und nimmt widerwillig
ein paar Stöcke entgegen. "Nordic Walking. Wieder so ein kurzlebiger
Fitnesstrend, den keiner braucht." Aus Finnland soll er kommen, hat
die Sportlerin wider Willen gehört. Von Langläufern, Biathleten
und Nordisch Kombinierten entwickelt, um ihr Sommertraining zu perfektionieren.
Bitte, wenn sie meinen, aber wozu muss ich mit Stöcken durch den
Wald rennen? - Weil's Spaß macht und ein unheimlich effektives Fitnesstraining
ist, wird sich Hildegard ein paar Stunden später selbst die Antwort
geben. Dann, wenn auch sie befallen ist von diesem Virus, der 1997 erstmals
in Finnland auftrat, bald den gesamten skandinavischen Raum befiel und
mittlerweile seinen Siegeszug bis in die Nordalpen fortsetzte.
"Zuerst gehen wir auf die Wiese" spornt Sportlehrerin Nicole
ihr Grüppchen an; sportliche Teenager, junge Frauen, rüstige
Senioren. Das schöne am Nordic Walking ist, dass es jeder gesunde
und einigermaßen sportliche Mensch machen kann. Alles, was man braucht
sind Trainingsanzug, ein paar Sportschuhe - je nach Gelände feste
Turnschuhe oder leichte Bergstiefel - und als einzige und wichtigste Sportgeräte
ein paar Stöcke. Die müssen leicht und stabil sein. "Körpergröße
mal 0,7 ist die Faustregel für die richtige Länge", hat
Nicole erklärt und jedem sein perfektes Stock-Paar angepasst.
Auf dem Weg zur Wiese erklärt sie, wie die abgerundeten Gummi-Kappen
verhindern, dass die metallene Stockspitze auf glattem Asphalt abschmiert.
Die meisten setzen schon intuitiv ihre neuen Sportgeräte richtig
ein. Diagonal, wie beim Langlauf, schwingt der Arm zu den Beinen. Sogar
Hildegards Mine ist nicht mehr ganz so finster. Es macht Spaß, sich
zu bewegen und zu merken, dass der Körper in Aktion ist.
"Schultern entspannt und locker, Füße geradeaus nach vorn
gerichtet und beim Gehen Oberkörper und Hüfte leicht schwingen",
erklärt die ausgebildete Trainerin ihren Schülern zu. Die probieren
aus, wie es sich anfühlt über Stock und Stein zu gehen, ein
paar kleine Sprünge einzubauen, die Geschwindigkeit zu variieren.
Damit jeder seine Belastungsgrenzen kennen lernt hat Regina Pulsuhren
verteilt. 120 bis 150 Schläge Herzfrequenz sind optimal für
ein effektives Herz-Kreislauf-Training. Als Faustregel gilt: Wer beim
Walken nicht mehr Sprechen kann, der ist zu schnell. Der Puls von 120
bis 150 ist aber auch optimal zur Fettverbrennung. Der Kalorienverbrauch
beim Nordic Walking ist mehr als ein Drittel höher als bei der normalen
Variante ohne Stöcke. Und nebenbei hilft der aktive Stockeinsatz
Muskelverspannungen an Nacken und Schulter zu lösen - genau der richtige
Ausgleich für Schreibtischtäter. Nicht zu vergessen die Entlastung
der Kniegelenke beim Gehen; insbesondere bergab.
Zum Anfang ist flaches oder leicht ansteigendes Gelände ideal. Wer
den Schritt raus hat, findet immer mehr Gefallen an etwas unwegsamerem
Gelände. So, wie die einst skeptische Hildegard, die mittlerweile
ihr einfaches aber ausgesprochen effektives Training nicht mehr missen
möchte.
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